ARAUCO ‧ Schmuck ‧ Kunst ‧ Wein

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Glücklich statt Stein-reich

Galerie Arauco: Alejandro Franco zeigt Avantgarde aus Lateinamerika

Seine Tätigkeit als Großhändler für Lapislazuli-Edelsteine und daraus gefertigten Schmuck langweilte Alejandro Franco (52) ziemlich schnell. Die täglichen Geschäfte liefen weitgehend anonym über Telefon oder Faxgerät ab. "Das gefiel mir gar nicht. Denn ich brauche den direkten Kontakt zu Menschen", sagt der in Nürnberg lebende Chilene Franco. So eröffnete er vor neun Jahren "Arauco" - einen Laden für modernen Mode-Schmuck, südamerikanische Weine und mit einem Forum für lateinamerikanische Kunst und Künstler am Nürnberger Trödelmarkt.

Eine gute Entscheidung des 52-jährigen Exil-Chilenen. Der Lapislazuli-Handel im großen Stil hätte Alejandro Franco mit ziemlicher Sicherheit reich gemacht, aber "auch unglücklich". Jetzt langt's am Monatsende zum Leben, Reichtümer kann er keine anhäufen. Wozu auch? Er bekommt etwas viel wichtigeres: "Anerkennung für meine Arbeit und das Gefühl, gebraucht zu werden", so Franco. Von den lateinamerikanischen Künstlern, die in seiner Nürnberger Galerie erste Schritte nach Europa machen, von der „großen Familie hier lebender Landsleute“ und nicht zuletzt von den fränkischen Feinschmeckern, die ihren Gaumen gern mit chilenischen Weinen verwöhnen lassen. Gefragt, ob er sich als Galerist, Wein- oder Schmuck-Händler sieht, antwortet der Vater von vier Kindern mit einem Lächeln: "Ich bin in erster Linie Mensch. Und ein sehr glücklicher."

Was nicht immer so war. Denn als sich 1973 General Augusto Pinochet in Chile an die Macht putschte, war Alejandro Franco in der Studentenbewegung aktiv. 1975 saß er deswegen einige Zeit im Gefängnis. Als er zwei Jahre später wieder von der Polizei gesucht wurde, musste er befürchten, dass er dieses Mal, wie so viele, für immer zum Schweigen gebracht würde. "Irgendwo über den Anden aus dem Flugzeug oder weit draußen auf dem Pazifik über Bord geworfen. Damals habe ich viele Freunde verloren. Die meisten sind bis heute spurlos verschwunden", erinnert er sich an die Zeit der menschenverachtenden Militärdiktatur, die "deutliche Spuren" in ihm hinterlassen hat. Mit einem deutschen Stipendium konnte er 1977 aber in letzter Minute nach Nürnberg flüchten und Soziologie studieren. Geld verdiente sich Alejandro Franco nebenher mit Spanisch-Unterricht. Am Sprachen-Institut der Uni-Erlangen ist er heute noch Lehrbeauftragter.

Seit den ersten freien Parlamentswahlen 1989 und dem mittlerweile dritten demokratisch gewählten Präsidenten ist Chile wieder "auf einem guten Weg" zurück in die Freiheit. Chiles Öffnung wirkte sich auch positiv aufs Galerie-Programm aus. Eine reine Beschränkung auf in Europa lebende Exil-Künstler aus Südamerika war nun nicht mehr notwendig.

Und in den vergangenen zehn Jahren gab sich fast die gesamte lateinamerikanische Avantgarde am Trödelmarkt die Klinke in die Hand. So wie in der momentan laufenden Ausstellung "Arte Brasileira" ein Angelo Milani mit seiner farbenfrohen, lebensbejahenden Malerei, ein mit internationalen Preisen überhäufter Siegbert Franklin oder eine Coca Rodriguez mit ihren fragilen, transparenten "Haut"-Bildern.

Martin Keidel
Abendzeitung Nürnberg
05.09.2002

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