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Ansichten aus der Stadt Chillán

Der chilenische Maler Víctor Sepúlveda stellt in der Galerie Arauco aus

Die Ruder sind gebrochen, das Schiff hält trotzdem Kurs. Abb.: Galerie
Die Ruder sind gebrochen, das Schiff hält trotzdem Kurs. Abb.: Galerie
Archetypen wie dieser Spielmann sind typisch für Victor Sepúlveda
Archetypen wie dieser Spielmann sind typisch für Victor Sepúlveda

VON BERND ZACHOW

Mit seinen derzeit in der Galerie Arauco ausgestellten Bildern rühmt der Maler Victor Sepúlveda die Heiterkeit, die Gelassenheit und den Optimismus der Bewohner seiner chilenischen Geburtsstadt Chillán.

Die Fröhlichkeit der von Victor Sepúlveda dargestellten Menschen mag bei näherer Betrachtung erstaunen. Ihre Heimat steht im wahrstenSinne auf unsicherem Grund. Chillán, heute eine Stadt mit rund 200 000 Einwohnern, wurde seit ihrer Gründung im Jahr 1580 bereits mehrmals von schweren Erdbeben erschüttert. Beim bislang heftigsten Beben im Januar 1939 starb mehr als die Hälfte der damaligen Bewohner. Zuletzt bebte die Erde im Februar 2010. Doch damit nicht genug: Der Ort ist auch häufig schlimmen Überschwemmungen ausgesetzt.Victor Sepúlvedas Malerei zeigt, dass es sich in Chillán trotzdem gut leben lässt. Der Künstler malte in bewusst naiver Manier einen sicher bettelarmen, aber gänzlich unverdrossenen Straßenmusikanten. Oder ein Mädchen mit Blumen und Gitarren in den Händen, großäugig, frisch und froh unter einer Sonne, die wie ein Laib knuspriges Brot aussieht. Lustige Zecher dürfen auch nicht fehlen. Schließlich gibt in der Region um Chillán einen guten Wein. Der auch als Touristen-Attraktion geltende Markt der Stadt, auf dem neben Obstund Gemüse auch regionales Kunsthandwerk angeboten wird, lieferte dem Maler ebenfalls allerlei reizvolle Motive.

Metaphernreiche Rede

Die den Mündern diverser seiner Kunst-Figuren entquellenden vielfarbigen Würstchen symbolisieren übrigens die Lust der Chilenen an „blumiger“, metaphernreicher Rede. Nicht ganz so locker und lebenslustig wie der Rest wirken lediglich zwei der dargestellten Menschen. Da ist auf der einen Seite die in missionarischer Absicht ein Gebetbuch schwenkende „fromme Frau“, über deren Kopf ein Kreuz und ein fahl schimmernder Heiligenschein schweben. Auf eine andere Art ignorant ist wohl der einer alten, lächerlich-plumpen Vogelscheuche ähnelnde „Landmann“ mit den verbundenen und vernähten (!) Augen.
Der Mal-Stil des Autodidakten Victor Sepúlveda wirkt „naiv“, aber er ist technisch ungemein raffiniert und ausgereift. Auch inhaltlich sollte der chilenische Künstler nicht unterschätzt werden. Tatsächlich hat er das Erscheinungsbild seiner Landsleute und deren Alltag in gewisser Weise grob vereinfacht und hemmungslos idealisiert, aber er macht auch mit Nachdruck klar, dass es sich bei seinen erfundenen Figuren nicht um Abbilder konkreter Personen handelt, sondern um Archetypen und um symbolhafte Konstruktionen.

Schiff auf hoher See

Am offensichtlichsten ist dies im Fall eines Bildes von einem Schiff auf hoher See. Beide Ruder sind gebrochen und die Planken sind morsch, aber die Seeleute halten den Kurs. Trotz alledem.

Arauco, Trödelmarkt 13: Víctor Sepúlveda / „Personajes“.
Bis 28. Februar. 2015, Mo.–Mi. 11–13 und 14–18 Uhr, Do.-Fr. 11–13 und
14–19 Uhr. Sa. 11–16 Uhr.

Nürnberger Nachrichten - Kultur und Freizeit

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BERND ZACHOW
Nürnberger Nachrichten
Samstag, 3. Januar 2015

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